Nur eine Minderheit von 35,3 Prozent in München gehört der katholischen oder evangelischen Kirche an. 2,4 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Trotzdem schreibt das strenge bayerische Feiertagsgesetz vor, dass an den stillen Tagen in Bars und Clubs nicht getanzt werden darf. Dass es doch geht, ist einem Urteil des Bundesverfassungsgericht zu verdanken. Wenn auch mit kurios anmutenden Auflagen des Kreisverwaltungsreferats in München.
Mehrere hundert, vor allem jüngere Personen haben am Gründonnerstag auf der Theresienwiese in München gegen das Musik- und Tanzverbot an den neun sogenannten stillen Tagen in Bayern protestiert. Sie plädieren für die Abschaffung der antiquierten Vorschriften im Bayerischen Feiertagsgesetz. Sogar die Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA und Präsidiumsmitglied der CSU-nahen Vorfeldorganisation Wirtschaftsrat der Union, Angela Inselkammer, fordert, die aktuellen Regelungen zu überdenken.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2016 auf eine Verfassungsbeschwerde des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) entschieden, dass das Bayerische Feiertagsgesetz mit der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar ist. Der bfg hatte sich nach dem Verbot seiner Heidenspaß- statt Höllenqual-Party im Jahr 2007 durch alle Instanzen geklagt. Seitdem sind an Karfreitag Ausnahmen möglich, wenn Feste und Feiern „Ausdruck einer klaren weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber dem Christentum“ sind. Das trifft auf die Veranstaltungen und Partys des bfg München zu.
An mehreren Orten hat der bfg am Karfreitag in München Musik- und Tanzveranstaltungen durchgeführt. Um 0 Uhr in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag, ging es los mit einem „Heiden-Rave“ in der Nachtgalerie mit vielen DJ-Kollektiven, ebenfalls um 0 Uhr startete die „Heidenspaß-Party“ in der The Keg Bar mit Karaoke. Am Karfreitagabend wurde im Import Export unter dem Motto „Jazztify – Gegen Tanzverbot und Stille Tage“ getanzt und gefeiert. Mit dabei war Rhabdomantic Orchestra und DJ Booty Carrell. „UKNOWY – Gegen Tanzverbot und Stille Tage“ hieß es auch im Unter Deck, wo Elektro, Hip Hop, House und Techno gespielt wurde. In der Karaoke-Bar Yokocho hat ab 21 Uhr die Sängerin Vanja zusammen mit dem Publikum gesungen. Am Abend ging es dann in der Nachtgalerie mit dem „Heiden-Rave“ und den DJ-Kollektiven sowie in die The Keg Bar mit der Heidenspaß-Party weiter.
Die Veranstaltungen mussten im Kreisverwaltungsreferat angemeldet werden. Diese hat für die Durchführung zwei Auflagen erlassen: Der bfg musste zu Beginn der Veranstaltungen eine fünfminütige Einführung geben. Außerdem musste alle 90 Minuten eine Durchsage in den Clubs gemacht werden, die auf den besonderen Charakter der Veranstaltung hinweist.
Assunta Tammelleo, Vorsitzende des bfg München, fordert die generelle Aufhebung des Tanzverbots und die Abschaffung der „Stillen Tage“: „Warum sollte jemand an Karfreitag nicht tanzen dürfen? Woran soll sich ein gläubiger Christ stören, wenn eine Party in einem geschlossenen Raum stattfindet? Es könne auch nicht Aufgabe des Staates sein, den Menschen Vorschriften zu machen, wie sie ihre Freizeit verbringen sollen, ganz gleich, ob es sich um einen Werktag, Feiertag oder eben um einen sogenannten Stillen Feiertag wie den Karfreitag handelt, so Tammelleo weiter.
Dass Tanzverbote endlich abgeschafft werden müssen, würden auch die aktuellen Mitgliederzahlen des Statistischen Amts der Stadt München über die Religionszugehörigkeit ergeben, argumentiert die bfg-Vorsitzende. Dort ist zu lesen, dass immer weniger Münchnerinnen und Münchner einer der beiden großen Kirchen angehören. Nur 25,9 Prozent der Münchner Bevölkerung sind Mitglied der katholischen Kirche, bei der evangelischen Kirche sind es sogar nur noch 9,4 Prozent (Stichtag 31.12.2022). Zwei Drittel der Münchner Bevölkerung sind konfessionsfrei oder gehören einer anderen Religionsrichtung an.
DEHOGA fordert Überdenken der Regeln für die Stillen Tage
Der Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA will eine Reform des Feiertagsgesetz aus wirtschaftlichen Gründen. In Bars, Lokalen, Clubs und Diskotheken, die an diesen Feiertagen öffnen, gilt ein generelles Tanzverbot. Während am Gründonnerstag und Karsamstag in Bayern in Bars, Lokalen, Clubs und Diskotheken ein Musik- und Tanzverbot gilt, darf beispielsweise im angrenzenden Baden-Württemberg normal gefeiert werden. „Diese Ungleichbehandlung führt zu einem Disko-Tourismus in Nachbarländer wie Tschechien, Österreich aber auch in andere Bundesländer wie Sachsen, Thüringen oder eben Baden-Württemberg. Die derzeitige Regelung kommt einem Berufsverbot gleich.“, argumentiert Verbandsvorsitzende Angela Inselkammer. Ihr Statement ist auch insofern bemerkenswert, weil Inselkammer Präsidiumsmitglied des CSU-nahen Wirtschaftsrat der Union ist. Die CSU hatte 2022 im Bayerischen Landtag einen Antrag der Grünen zur Abschaffung des Tanzverbotes abgelehnt.
„Der aktuelle Betriebsvergleich zeigt einen alarmierenden Rückgang bei der getränkegeprägten Gastronomie in noch nie erlebter Intensität. So sind 2020 im Vergleich zu 2017 mehr als 29 Prozent der Betriebe weggebrochen. Fast jeder dritte Anbieter ist aus dem Markt ausgeschieden. Das ist besonders bitter, da Clubs und Diskotheken einen erheblichen Beitrag zum gesellschaftlichen und kulturellen Leben leisten und wesentlicher Teil gelebter Kultur sind – vor allem für junge Leuten, welche die Pandemie in ihrer Freiheit und Entwicklung mit am schlimmsten getroffen hat.“, ergänzt Geschäftsführer Dr. Thomas Geppert.