München trauert um den Ehrenbürger und Alt-OB Dr. Hans-Jochen Vogel, der am 26. Juli 2020 verstorben ist. Der Sozialdemokrat war von 1960 bis 1972 Oberbürgermeister von München und von 1987 bis 1991 Parteivorsitzender der Bundes-SPD.
Im Alter von 94 Jahren ist am 26. Juli 2020 Münchens Ehrenbürger und Alt-OB Dr. Hans-Jochen Vogel verstorben. Der SPD-Politiker war von 1960 bis 1972 Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München. Seinem Wirken verdankt München nicht nur den Zuschlag der Olympischen Sommerspiele 1972 mit dem Bau der weltweit einzigartigen Zeltdach-Sportstätten im Olympiapark. Mit dem 1963 beschlossenen Stadtentwicklungsplan wurde die Grundlage zur Entwicklung von München vom Millionendorf zur Weltstadt gelegt. So gingen die Planungen für eine leistungsfähiges System im öffentlichen Nahverkehr mit dem Bau eines U- und S-Bahn-Netzes oder auch die Realisierung der Altstadt-Fußgängerzone auf den Stadtentwicklungsplan zurück.
Vogel ist 1950 in die SPD eingetreten. 1958 wurde der Jurist Leiter des Rechtsreferates der Landeshauptstadt München. 1972 trat er nicht mehr als OB-Kandidat der Sozialdemokraten an. Er wollte sogar angesichts der Flügelkämpfe in der Münchner SPD ganz aus der Politik aussteigen. Willy Brandt soll ihn damals überredet haben, das Amt des Landesvorsitzenden der Bayerischen SPD zu übernehmen. Vogel kandidierte für den Bundestag und wurde 1972 als Direktkandidat gewählt. In Bonn übernahm er das Amt des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau im Kabinett Brandt. Hier konnte er Erfolge in der Wohnbauförderung und im Erhalt innerstädtischer Bereiche vorweisen. Bei der Bodenrechtsreform konnte er sich nicht durchsetzen. Schon früh hatte er erkannt, dass die Bodenspekulation eingedämmt werden müsste, um bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können.
Nachdem Willy Brandt nach der Enttarnung seines engsten Mitarbeiters, Günter Guillaume, als DDR-Spion zurücktreten musste, übernahm Vogel 1974 im Kabinett von Helmut Schmidt das Bundesjustizministerium. In seine Amtszeit fielen wesentliche Meilensteine der deutschen Rechtspolitik, wie Reform des Scheidungsrechts oder die Schaffung des Tatbestandes der Bildung einer terroristischen Vereinigung aufgrund des Terrors der Roten Armee Fraktion (RAF).
1981 wurde Vogel zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt, das er aber bereits nach vier Monate bei den Neuwahlen an seinen Gegenkandidaten von der CDU, Richard von Weizäcker, abgeben musste. Nach einer erfolglosen Kanzlerkandidatur 1983 wurde Vogel Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Dieses Amt übte er acht Jahre bis 1991 aus. 1987 wurde er zum Vorsitzenden der Bundes-SPD gewählt, das er ebenfalls bis 1991 inne hatte.
Dr. Hans-Jochen Vogel hinterlässt drei Kinder, die aus seiner ersten Ehe hervorgingen, die 1972 geschieden wurde. 2006 ist er mit seiner zweiten Ehefrau Liselotte in das Münchner Wohnstift Augustinum in Hadern eingezogen. 2015 machte er seine Parkinson-Krankheit öffentlich.
Stimmen zum Tod von Dr. Hans-Jochen Vogel
Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident: „Der Tod von Dr. Hans-Jochen Vogel berührt mich sehr. Mit ihm verliert Deutschland eine herausragende Persönlichkeit. Über Parteigrenzen hinweg genoss er durch seine glaubwürdige Politik und authentische Art höchstes Ansehen. Als Oberbürgermeister der Stadt München hat er die Entwicklung der Stadt entscheidend mitgeprägt und sich auch später stets in den Dienst der Gesellschaft gestellt. Der Freistaat trauert um Dr. Hans-Jochen Vogel. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.“
Oberbürgermeister Dieter Reiter: „Die Nachricht von Hans-Jochen Vogels Tod erfüllt mich mit großer Trauer, nicht nur als Münchner Oberbürgermeister, sondern auch ganz persönlich. Mit ihm verliert München, verliert Deutschland einen großen Sozialdemokraten, einen scharfen Analytiker und leidenschaftlichen Politiker.
Claudia Tausend, Vorsitzende der Münchner SPD: „Die Nachricht von seinem Tod hat mich tief getroffen. Bis zuletzt war Hans-Jochen Vogel der beste Anwalt für ein soziales Bodenrecht, auf ihn gehen viele Teile der aktuellen Baugesetzbuch-Reform zurück. Auf seinen Rat konnte man sich immer verlassen, fundiert aber auch diskret. Er war, so lange es irgendwie ging, persönlich präsent auf unseren Treffen oder Veranstaltungen. Seine Appelle, seine Redebeiträge haben uns immer klar gemacht, wofür Sozialdemokratie steht und wofür wir arbeiten. Wir verneigen uns vor einem beispiellosen Lebenswerk und einem beispiellosen Menschen, dessen Charakterzüge wir gerade heute so dringend weiter gebraucht hätten.“
SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Anne Hübner: „Mit Hans-Jochen Vogel verliert München einen überzeugten Sozialdemokraten, der die Geschichte unserer Stadt entscheidend geprägt hat – als Oberbürgermeister, aber auch bis zuletzt als Ehrenbürger und politischer Denker, der eine klare Haltung immer mit fortschrittlichen Ideen zu verbinden wusste. Er wird uns fehlen und wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.“
SPD-Fraktionsvorsitzender im Münchner Stadtrat, Christian Müller: „Hans-Jochen Vogel hat München gestaltet und in die Moderne geführt, sein Wirken wird bleiben. Besonders stolz war er selbst auf die Olympischen Spiele 1972 und das, was zuvor in der Stadt neu geschaffen wurde: Infrastruktur, Wohnraum und der Olympiapark, der weltweit zum Symbol für das neue, friedliche und weltoffene München geworden ist.“
Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch: „Der Tod von Hans-Jochen Vogel hinterlässt mich in unendlicher Trauer. Nicht nur als Politiker hat er unser Land und insbesondere München geprägt wie kein Zweiter; sein Wirken in der Stadt ist bis heute allgegenwärtig. Auch abseits der Politik verstand er sich als Mensch, der für die Menschen da war, und blieb gerade in München noch lange, nachdem er das Rathaus wieder verlassen hatte, vielfältig engagiert. Mit ihm verlieren wir einen außergewöhnlichen Politiker, eine prägende Figur der Zeitgeschichte und ganz besonders einen treuen und engen Freund. Seine Geradlinigkeit und Offenheit waren einzigartig und werden unvergessen bleiben.
Hans-Jochen Vogel hatte in seiner Jugend den Aufstieg der Nationalsozialisten und die Zerstörung des Landes im Krieg miterlebt; als Jugendlicher wurde er Zeuge des Novemberpogroms 1938. Der Drang, die demokratische Kultur der Bundesrepublik zu bewahren und zu schützen, wurde zu einer Triebfeder seines politischen Handels. Auch das Gedenken an die Opfer der NS-Zeit war ihm ein Herzensanliegen; noch bis ins höchste Alter nahm er regelmäßig an den Gedenkveranstaltungen zum 9. November teil. Er stand zeit seines Lebens an der Seite der jüdischen Gemeinschaft, die ihm wie unser ganzes Land ein ehrendes Andenken bewahren wird.“