Am Montag war die Inzidenz in München den fünften Tag hintereinander unter 35. Deshalb tritt ab Mittwoch, 2. Juni 2021, die Einstufung „unter 35“ in Kraft, das bedeutet, dass private Zusammenkünfte eines Hausstandes mit zwei weiteren Hausständen mit maximal 10 Personen erlaubt sind. Oberbürgermeister Dieter Reiter reicht das nicht. Er fordert in einem Brief an Ministerpräsident Markus Söder weitere Erleichterungen, wie die Abschaffung der Maskenpflicht im Freien in der Innenstadt sowie in Schulen und die Öffnung der Innengastronomie.
Nachdem das RKI am Montag zum fünften Mal in Folge für München einen Inzidenzwert unter 35 gemeldet hat, gilt ab Mittwoch, 2. Juni, für die Kontaktbeschränkungen die Inzidenzeinstufung „unter 35“. Damit sind wieder private Zusammenkünfte für die Angehörigen des eigenen Hausstands und zwei weiterer Haushalte mit zusammen maximal zehn Personen (Kinder unter 14 Jahren nicht mitgerechnet) möglich.
Vor dem Hintergrund der jetzt anstehenden Anpassung der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung hat Oberbürgermeister Dieter Reiter in einem Schreiben an Bayerns Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder gefordert, die kommenden Erleichterungen so auszugestalten, dass diese verständlich und im Gleichklang in allen Lebensbereichen vollzogen werden können. Im Blick hat er dabei die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen und bei den Regelungen für Schulen und Kitas, für Stadtteilkulturzentren und Open-Air-Veranstaltungen, für die Innengastronomie und für Wellnessangebote, für Märkte und sonstige Stände sowie bei der Kontaktbeschränkung und der Maskenpflicht im Freien.
Hier die Auszüge mit den Forderungen aus dem Schreiben von OB Reiter an Ministerpräsident Markus Söder:
„Die mittlerweile stetig sinkenden Inzidenzzahlen, der spürbare Rückgang der Covid-19-Patienten in den Kliniken und die damit einhergehende Perspektive einer Normalisierung des Alltagslebens stimmen die Menschen wieder etwas hoffnungsfroh. Ich wende mich heute an Sie, da in einigen Bereichen durchaus noch ein Änderungsbedarf besteht. Eine Anpassung der Verordnung an die gängige Praxis und eine Harmonisierung zwischen den einzelnen Lebensbereichen würde unzweifelhaft zu einer höheren Akzeptanz und damit auch zu einer Abnahme des teilweise verständlichen Unmuts gegenüber den bisher veranlassten Maßnahmen führen.
Alle im folgenden genannten Vorschläge sind durch das Münchner Gesundheitsamt, unter der Voraussetzung einer stabilen Inzidenz kleiner als 50 und nicht zuletzt auch aufgrund der während der Pandemie gemachten Erfahrungen, infektiologisch auf ihr derzeitiges Risiko bewertet worden. Im Ergebnis besteht aus infektionsschutz-fachlicher Sicht und unter der Maßgabe zu beachtender Vorgaben kein höheres Risiko als bei den bisher schon in Kraft getretenen Maßnahmen.
Kultur
Die gültige Verordnungen führen aktuell dazu, dass Kulturinstitutionen wie Stadtteilkulturzentren und sonstige gemischtkulturelle Einrichtungen perspektivisch bis zu einer Inzidenzerwartung von 0 keinerlei Wiedereröffnungsperspektive haben. Vielfach wird in diesen Kulturörtlichkeiten ebenfalls Theater- und Musikprogramm geboten, jedoch sind sie von der abschließend formulierten Öffnungsmöglichkeit nicht erfasst.
Es ist festzuhalten, dass weder für die Kinos, noch für Theater, Opern und Konzerthäuser im Innenraum eine Beschränkung der Gesamtbesucherzahl vorgesehen ist. So wird etwa in der Bayerischen Staatsoper oder in der Philharmonie aktuell ein Betrieb mit bis zu 650 Besucher/-innen praktiziert. Auch die entsprechenden Rahmenkonzepte legen hier keine explizite Höchstgrenze fest. Daher erscheint es aus infektiologischer Sicht wenig sachgerecht, dass bei der nunmehr neu eingefügten Option kultureller Open-Air-Veranstaltungen unmittelbar in der Verordnung selbst eine Höchstbesucherzahl von 250 etabliert ist. Unserer Auffassung nach sollte angesichts der wesentlich unbedenklicheren Aerosol-Bewertung unter freiem Himmel zumindest die gleiche Systematik greifen, wie sie für Kulturveranstaltungen im Innenraum vorgesehen ist.
Insbesondere bereits jetzt geplante Open-Air-Veranstaltungen wie etwa „Klassik am Odeonsplatz“, „Bayern spielt“ am Königsplatz, „Sommer in der Stadt“ an diversen Standorten, zum Teil auch in Kooperation mit oder unter Federführung des Freistaats Bayern brauchen aus unserer Sicht eine zeitnahe Planungssicherheit, die die wirtschaftliche Perspektive dieser Formate ebenso im Blick hat, wie die infektiologische Bewertung.
Kinder und Jugendliche
Auch die besonderen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen, die unter den Kontaktbeschränkungen der Pandemie besonders gelitten haben, finden aus unserer Sicht in der aktuellen Verordnung zu wenig Berücksichtigung. Zum einen möchte ich Ihnen hier den Vorschlag einer Freizeit-Teststrategie unterbreiten, damit jungen Menschen wieder Begegnungen und natürlich auch gemeinsame Freizeiterlebnisse ermöglicht werden. Zum anderen bitte ich Sie, auch den Bereich der außerschulischen Bildung nicht außer Acht zu lassen. Die offene Kinder-und Jugendarbeit, die Jugendverbandsarbeit, die Vereinsarbeit und auch die Kulturarbeit müssen zukünftig, unter den Voraussetzungen und der Einhaltung von Hygienekonzepten, wieder möglich sein.
Kitas und Schulen
Da das Lehr- und Erziehungspersonal in den Kindertagesstätten und den Schulen bald durchgängig geimpft sein wird, rege ich hier eine Befreiung von der Maskentragepflicht an. Zumindest für jene Erzieher*innen und Erzieher sowie Lehrer*innen und Lehrer, die über einen vollständigen Impfschutz verfügen.
Auch im Bereich des Schulsports sollten bei weiterhin sinkender Inzidenz, Erleichterungen, wie die Befreiung vom Tragen der Maske im Innenbereich unter Einhaltung des Mindestabstands, wieder möglich sein. Besonders wichtig erscheint mir die baldige Freigabe der Schulschwimmbäder, natürlich unter der Prämisse der Einhaltung von Hygienekonzepten. Waren die Befähigungen der Kinder im Schwimmen teilweise schon vor der Pandemie nicht immer zufriedenstellend, so sind sie aktuell noch weniger ausgeprägt.
Kontaktbeschränkungen allgemein
Im Bereich der Kontaktbeschränkungen besteht eine wesentliche Regelungslücke bei Unterschreiten der 7-Tage-Inzidenz von 35. Hier sieht die VO keine weiteren Abstufungen und Ausweitungen bis zum Erreichen der 0-Inzidenz vor. Perspektivisch dürfen sich also nach der aktuellen Regelung nie mehr als zehn Personen aus drei Hausständen treffen. Hier sieht die Landeshauptstadt München zwingend die Notwendigkeit einer Änderung. Bei stabil niedrigen Inzidenzwerten, also deutlich unterhalb der 35, muss es den Menschen wieder gestattet sein, sich auch mit mehr als drei Hausständen zu treffen.
Gastronomie Innenbereich
Die Infektionsschutzverordnung sieht seit 21. Mai die Möglichkeit einer Bewirtung im Innenbereich bei gleichzeitiger Inanspruchnahme eines touristischen Übernachtungsangebots vor. Wenn also im Bereich der gewerblichen Übernachtungsbetriebe die Öffnung der zugehörigen Innengastronomie unter Einhaltung von Hygienekonzepten infektiologisch vertretbar ist, sollte dies auch für den gastronomischen Sektor grundsätzlich gelten. Auch hier liegen keine maßgeblichen fachlich-infektiologischen Gründe auf der Hand, die diese Unterscheidung rechtfertigen.
Wellnessangebote
In Hotels dürfen seit 21. Mai Wellnessangebote für Übernachtungsgäste angeboten werden. Andere Einrichtungen, beispielsweise auch Fitnessstudios mit Schwimmbecken oder Sauna, dürfen diese nicht öffnen. Insbesondere sind hier auch die Solarien zu nennen, diese sind ausdrücklich untersagt. Warum Hotels ihre Saunen öffnen dürfen, Solarien, in denen Einzelpersonen auf Sonnenbänken liegen, allerdings nicht, ist unserer Auffassung nach infektiologisch nicht begründbar.
Märkte und sonstige Stände
Hier könnten unserer Auffassung nach die unter normalen Umständen zulässigen Märkte und Stände – mit dem nicht nur auf Lebensmittel, Pflanzen und Blumen eingeschränkten Komplett-Sortiment – wieder zugelassen werden. Dies erscheint im Hinblick auf die reduzierte Ansteckungsgefahr im Freien und der sonst bestehenden Ungleichbehandlung im Verhältnis zum sonstigen Einzelhandel infektiologisch, bei Einhaltung der Maskenpflicht auf den Begegnungsflächen, durchaus vertretbar. Die Mindestabstände können eingehalten werden. Ähnlich wie bei der Abholung vorbestellter Waren bei sonstigen Betrieben findet hier im Vergleich zu Ladengeschäften auch nur ein kurzer Kontakt statt. Durch diese Lockerung wären dann auch wieder die Warenvertriebsstände zugunsten gemeinnütziger Zwecke, Mitgliederwerbestände für gemeinnützige Organisationen und die Info-Veranstaltungen bzw. Infostände, bei denen die Information der Besucherinnen und Besucher im Vordergrund steht, wieder möglich.
Zurücknahme der weitergehenden Maskenpflicht
Es besteht grundsätzlich eine Maskenpflicht auf zentralen Begegnungsflächen oder sonstigen Orten unter freiem Himmel, aber ohne bisher an eine definierte 7-Tage-Inzidenz-Grenze gekoppelt zu sein. Auch München hat diese Regelung für zentrale Orte wie den Marienplatz oder die gesamte Fußgängerzone bisher umgesetzt. Allerdings sehe ich unter den aktuellen Rahmenbedingungen einer stetig sinkenden Inzidenz und dem damit einhergehenden kontinuierlichen Anstieg der Impfquote die Voraussetzungen für eine Maskenpflicht unter freiem Himmel nur noch bedingt gegeben. Hinzu addiert sich die Erkenntnis, dass die Forschung und auch unser Münchner Gesundheitsamt das Ansteckungsrisiko im Freien bisher als sehr gering einschätzen. Insofern befürworte ich, wenn nicht schon die vollständige Abschaffung der Maskenpflicht, zumindest eine Anbindung an eine in der Verordnung definierte Inzidenzgrenze.
Sehr geehrter Ministerpräsident, eine große Mehrheit der Menschen im Freistaat und somit auch die Münchnerinnen und Münchner haben die durch die Pandemie bedingten und teilweise sehr schwierigen Einschränkungen mitgetragen und geduldig ausgehalten. Wir, als verantwortliche Politiker, müssen dem Respekt zollen. Ich bin darum der Auffassung, dass es von enormer Bedeutung ist, die kommenden Erleichterungen so auszugestalten, dass diese verständlich und im Gleichklang in allen Lebensbereichen vollzogen werden können. Ich würde mich freuen und es begrüßen, wenn Sie aus diesen Gründen die vorgenannten Vorschläge bei der kommenden Änderung der Verordnung des Freistaats berücksichtigen.“