Der geschäftsführende Heilsbringer des TSV 1860 München, Ian Ayre, hat schon vor dem entscheidenden Relegationsspiel gegen Jahn Regensburg nach nur zwei Monaten im Amt das Handtuch geworfen. Der Präsident, Peter Cassalette, zog nach der 0:2 Niederlage die Konsequenzen und ist ebenfalls zurückgetreten. Der Trainer, Vitor Pereira, hat auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sein Projekt als gescheitert bezeichnet, aber seine Zukunft offiziell noch offen gelassen. Nur wenige Profis haben einen Drittliga-Vertrag und die Zukunft der Nachwuchsarbeit liegt wegen fehlender Förderung auch in den Sternen. Die Hooligans drehen im Stadion durch und sind eine Schande für den Verein. Der Münchner Traditionsverein löst sich in Luft auf.
Am Abend nach dem Abstiegsspiel, bei dem die Löwen mit 0:2 verloren haben, bestätigte der TSV 1860 München, dass Geschäftsführer Ian Ayre bereits am Vormittag sein Amt zur Verfügung gestellt hat. Die Veröffentlichung dieser Meldung wurde zurückgehalten, „um die Mannschaft und das Umfeld vor dem wichtigen Spiel gegen Regensburg nicht zu belasten“. Zugleich wurde auch bekannt gegeben, dass auch Löwen-Präsident Peter Cassalette nach dem heutigen Relegationsspiel seinen Rücktritt erklärt hat. Er wolle einem Neuanfang nicht im Wege stehen, wurde er zitiert.
Löwen-Coach Vitor Pereira übernahm auf der Pressekonferenz die Verantwortung für das Desaster: „Die Verantwortung liegt bei mir.“ Er habe das Risiko angenommen und es habe nicht geklappt. Er entschuldigte sich bei den Fans, dem Verein und die Mitarbeiter, dass sein Projekt gescheitert ist. „Mein Trainerteam und ich haben alles versucht. Es ist sehr schmerzhaft und tut mir für den Verein weh.“, erklärte er, wollte aber zu seiner Zukunft noch nichts sagen. Zugleich lobte er den Relegationsgegner: „„Regensburg war die bessere Mannschaft in den beiden Spielen, sie haben sich den Aufstieg verdient. Der Gegner war in der Relegation besser.“
Nur beim ansonsten twitterfreudigen Investor Hasan Ismaik herrschte Funkstille. Er zählt wohl noch nach, wie viele Trainer und Geschäftsführer er seit seinem Einstieg an Land gezogen und anschließend verschlissen hat und wie viele Präsidenten er verprellt hat. Noch drei Tage vor dem Relegations-Rückspiel hatte er zum Rundumschlag ausgeholt: „Wir haben seit Sommer 2016 viele Millionen in die Mannschaft gesteckt und neben Stuttgart sowie Hannover den teuersten Kader. Und was kam dabei heraus? Die Relegation! Was ich mir vorwerfen muss ist, dass ich sogenannten Fachleuten vertraut habe, ohne zu hinterfragen, was mit meinem Geld eigentlich passiert. Hier war ich blauäugig. Diesen Fehler muss ich mir eingestehen.“ Er kündigte zum x-ten Male grundlegende Veränderungen auf allen Ebenen an, um – wieder einmal – einen soliden Neuanfang zu erschaffen.
Nur – wer will noch bei diesem Arbeitgeber unterschreiben oder ein Amt übernehmen? Wo ein Investor trotz der 49-Prozent-Regelung der Bundesliga das Sagen hat, aber in allen Entscheidungen nachweislich falsch gelegen ist. Wo es einen brutalen Aderlass in der Spielerabteilung und in der Jugendförderung geben wird. Denn kaum ein Profi hat einen Drittliga-Vertrag und die Jugendarbeit wird wegen des Zwangsabstiegs der Nachwuchsmannschaften und fehlender Förderungen wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.
Dazu kommt, dass die rechtsradikal unterwanderte Hooligan-Szene der Löwen die Fankultur bei dem Traditionsverein mit Füßen tritt. Sie ist die Einzige, die am heutigen Abend gewonnen hat. Mit ihrer Randale im Stadion haben sie einen Grad an medialer Aufmerksamkeit erzeugt, die sie in ihrem Tun nicht nur bestätigt, sondern noch mehr anstachelt, künftig in der dritten Liga ihr Unwesen zu treiben. Nicht mehr der friedfertige, aber glühende Fan aus der Giesinger Eckkneipe bestimmt das Bild vom typischen Löwenanhänger, sondern der aggressive Hooligan, der sich mit seinesgleichen aus den gegnerischen Lagern misst. Da werden sich viele fragen, ob es noch eine Gemeinsamkeit mit diesem Verein geben kann.
Viele werden am 30. Mai 2017 gespürt haben, dass sich ein Verein plötzlich in Luft aufgelöst hat. Das ist schade für München. Denn die Löwen und ihre Anhänger gehören zur Stadt, wie das Hofbräuhaus, der Englische Garten oder auch die Roten an der Säbener Straße. Bleibt zu hoffen, dass es wirklich einen Neuanfang gibt. Einen ohne Stadionträume mit Löwenzwinger. Einen, wo sich die Mitglieder und die Vereinsführung klar von den radikalen Kräften distanzieren und sie aussortiert. Und einen, wo die Münchner – gleich welcher Farbe – respektvoll über die Sechz’ger sprechen.
Robert Allmeier