Den Innenstadtwirten in München fehlen nicht nur die einheimischen Gäste, sondern auch die Touristen. Der Sprecher des Vereins Münchner Innenstadtwirte, Gregor Lemke, vom Augustiner Klosterwirt ist mitten drin im Epizentrum einer entvölkerten Altstadt. In seiner 30-jährigen Berufserfahrung hätte der geborene Münchner nicht im Traum daran gedacht, dass es einmal so kommen würde. Er rechnet damit, dass sich die Gastronomie von dem Schock nur ganz langsam erholen werde und die Pandemie einen tiefgreifenden Wandel in der Bayerischen Wirtshauskultur zu Folge haben wird.
Gregor Lemke im Interview zur Coronakrise mit dem Barguide Team Amadeus Danesitz und Alex Wulkow:
Wie hat sich das angefühlt, als ihr plötzlich zusperren musstet?
Gregor Lemke: „Unfassbar … allein die Vorstellung, dass der Klosterwirt seinen Betrieb schließen muss und noch dazu die ganze deutsche Gastronomie, erschien uns wie in einem Horror-Science-Fiction-Film. Wir sind mit Leib und Seele Gastgeber und freuen uns jeden Tag aufs Neue, unseren vielen Gästen mit Freundlichkeit, Holzfass-Bier und hoher Küchenqualität ein Wirtshauserlebnis der besonderen Art zu schenken. Dies alles ist von 100 auf null gestellt. Wir waren für die kommende Sommersaison mental und organisatorisch gut vorbereitet. Jetzt sind alle Bemühungen für die Katz! Persönlich und emotional hat mich das tief getroffen.“
Minimum zwei Monate keinen Umsatz, die Kosten laufen aber weiter, wie überlebt man das?
Gregor Lemke: „Wir mussten die ganze Klaviatur der Unterstützungsmöglichkeiten spielen. Aus eigenen Mitteln ist hier wahrscheinlich kein Betrieb in der Lage, so eine lange und im Moment immer noch nicht absehbare Zeit ohne Einnahmen zu überstehen. Vom Land Bayern gab es sehr schnell die Corona-Soforthilfe. Diese ist leider bei einem Betrieb unserer Größe nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Trotzdem hat es geholfen und die daraus sprechende Wertschätzung tat gut!Weitere Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld, KfW-Darlehen und die jetzt beschlossene Mehrwertsteuersenkung für Speisen auf 7 Prozent kommen hier unterstützend dazu. Dies alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kredite, Stundungen und Bürgschaften alle wieder zurückgezahlt werden müssen. Und dies bei wahrscheinlich stark reduzierten Umsätzen. Die Schere dazwischen wird leider viele Kollegen in die Insolvenz treiben. Die bayerische Wirtshauskultur und deutsche Gastronomie-Vielfalt werden nach der Corona-Krise eine andere sein!
Was erwartet ihr von der Politik, sprich Stadt, dem Land oder dem Bund?
Gregor Lemke: „Hier muss es schnellstens einen Rettungsschirm geben, der die verschiedensten Unterstützungsmaßnahmen umfasst, bis hin zur Übernahme aller nicht zu erwirtschaftenden Kosten. Es muss so unverzüglich und ohne weiteren Aufschub Liquidität in die Betriebe gebracht werden, sonst gibt es ein Massensterben!
Die Bedingungen für die Wiederöffnung müssen für die Betriebe praktikabel umsetzbar und individuell skalierbar sein. Natürlich müssen die hygiene- und gesundheitspolitischen Vorgaben berücksichtigt werden, aber immer unter Einbezug von Punkt eins.
Das Wichtigste ist aber, dass die Vorgaben betriebswirtschaftlich darstellbar sind. Eine Öffnungsbedingung, wie vor der Schließung, also dass nur 30 Personen, unabhängig von der Größe des Restaurants, mit einem Abstand von 1,50 Meter und das Ganze dann nur bis 15 Uhr erlaubt ist, dies wird nicht funktionieren.“ *)
Was erhoffen Sie sich vom restlichen Jahr?
Gregor Lemke: „Der Optimismus ist verhalten. Die Zielgruppen sind teilweise weggebrochen, man bedenke nur den Ausfall des internationalen Tourismus. Die Menschen werden nach wochenlanger Predigt von „stay@home“ erst mal zurückhaltend mit der wieder gewonnenen Freiheit umgehen. Auch die Einschränkungen in den Betrieben erlauben nur eine geringere Umsatzerwartung. Wir rechnen bis Ende des Jahres mit einem Einbruch im Vergleich zum Vorjahr von 30 bis 50 Prozent.“
Wie kann man euch aktuell unterstützen?
Gregor Lemke: „Sprechen Sie sich öffentlich für die Wiederöffnung der gesamten Gastronomie aus. Hinterfragen Sie Punkte, warum ein Einzelhandelsgeschäft mit bis zu 800 Quadratmeter öffnen kann, aber wir, für die die Einhaltung von strengen Hygienevorschriften zum Alltag gehören und die jederzeit in der Lage wären, die passenden Konzepte in den Betrieben umzusetzen, nicht aufsperren dürfen.*)
Zum Thema Gutscheine: Ich habe bei meinem kleinen Italiener um die Ecke einen größeren Gutschein gekauft, um ihn in der Krise zu unterstützen, da ich ihn ungern verlieren würde. So geht es wahrscheinlich vielen von uns! Und wenn wir wieder aufsperren, kommt und seid unsere Gäste!“
Anm. d. Red: Das Interview wurde vor den Beschlüssen der Staatsregierung zur Wiedereröffnung der Gastronomie geführt.
Weitere Interviews: https://www.barguide-muenchen.com/im-gespraech
Weitere Infos zur Münchner Bar- und Gastroszene bei www.barguide-muenchen.com.