10 Jahre jüdische Synagoge München: Bundeskanzlerin Merkel mit Ohel-Jakob-Medaille ausgezeichnet

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern hat die Ohel-Jakob-Medaille in Gold an die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Dr. Angela Merkel verliehen. Am zehnten Jahrestag der Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob würdigte die Kultusgemeinde mit ihrer höchsten Auszeichnung Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkels herausragende Verdienste um das Judentum in Deutschland, ihren entschlossenen Einsatz gegen jede Form von Antisemitismus und ihr entschiedenes Bekenntnis zum jüdischen Staat Israel.

Verleihung der Ohel-Jakob-Medaille in Gold an die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Dr. Angela Merkel am zehntem Jahrestag der Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob Quelle Foto: Jüdische Kultusgemeinde München
Verleihung der Ohel-Jakob-Medaille in Gold
an die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Dr. Angela Merkel am zehntem Jahrestag der Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob
Quelle Foto: Jüdische Kultusgemeinde München

Präsidentin Dr. h.c. Charlotte Knobloch erinnerte in ihrer Begrüßung an den 9. November 1938, die „Reichspogromnacht“. Bewusst sei an jenem Datum, 68 Jahre später, die neue Münchner Hauptsynagoge als Zeichen der Hoffnung feierlich eröffnet worden – „den Blick nach vorne gerichtet, für unsere Nachkommen, für deren Zukunft – in Sicherheit, Frieden und Freiheit“. Knobloch sprach von einer „ungeahnten Initialzündung“, „landauf landab entstanden seither Synagogen und Gemeindehäuser. Judentum hat in Deutschland wieder eine erkennbare Präsenz – bauliche Symbole einer selbstverständlichen, vitalen Zukunft.“

Bei allem Grund zur Freude seien aber auch Rückschritte zu benennen, so Knobloch. „In Europa – auch hierzulande – herrscht regelrecht eine braune Renaissance.“ Der islamistische Terror könne jederzeit jeden treffen. „Angst, Unsicherheit und Wut verändern uns und unsere Gesellschaft. Wir mussten lernen, dass Menschen, denen wir mit Toleranz begegnet sind, unsere Werte nicht akzeptieren, gar verachten.“ Darauf müsse der wehrhafte Staat mit ultimativen Konsequenzen reagieren. „Wir erleben, dass Antisemitismus immer offener, ungeniert und auch gewaltsam geäußert wird.“ Zu viele hätten sich an antijüdische Ressentiments gewöhnt. Umso mehr dankte Knobloch dem Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer für seine verlässliche Freundschaft an der Seite der jüdischen Gemeinschaft und des Staates Israel.

Über die Preisträgerin, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, sagte Knobloch: „Sie steht wie keiner ihrer Amtsvorgänger in unverrückbarer Entschlossenheit, Eindeutigkeit und Glaubwürdigkeit, beherzt und kämpferisch an der Seite der jüdischen Menschen in Deutschland und des Staates Israel.“ Das entspreche ihrer tiefen Überzeugung. „Es ist Ausdruck eines gereiften Geschichts- und Verantwortungsbewusstseins und ihrer menschlichen Haltung.“  Die Sicherheit Israels sei für sie Teil der Staatsräson unseres Landes. „Die Sicherheit und die Geborgenheit jedes einzelnen jüdischen Menschen in Deutschland sind für Sie Teil der Staatsräson unseres Landes – und mehr als das: Sie sind Ihnen Herzensangelegenheit, niemals verhandelbar, keine leeren Worte.“

Der Laudator, Rabbiner Dr. Arthur Schneier, Oberrabbiner der Park East Synagoge New York und Präsident der Stiftung „Appeal of Conscience“ nannte Merkel „eine Frau des Gewissens und der Prinzipien“. Rabbiner Schneier betonte, dass Deutschland heute wieder eine große jüdische Gemeinschaft beheimatet. Schneier: „Sie haben auch das jüdische Leben in Deutschland wieder aufblühen lassen. Die Bundesrepublik Deutschland steht beispielhaft ein für die Erinnerung und Verantwortung, die aus einer tragischen Vergangenheit entspringt, sowie für den Geist der Versöhnung. Über die Jahre hat sich eine besondere, eine verständige und kooperative Beziehung mit dem jüdischen Volk und dem Staate Israel entwickelt. Ihre Grundlage kann und wird nicht von denen verzerrt werden, die antizionistische Parolen verwenden, um ihren Antisemitismus zu verbergen.“

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hob in ihrer Rede die Leistung der jüdischen Gemeinden für die Integration der Zuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion hervor und schlug den Bogen zu den aktuellen Herausforderungen der Integration : „Dort wo Alt und Neu aufeinandertreffen, braucht es Verständigung über Werte, Regeln, Gewohnheiten, um auf einemgemeinsamen Fundament aufbauen zu können.“ Dazu gehöre insbesondere auch das Wissen über die deutsche Geschichte: „Wir sind es den Opfern der Shoah wie uns selbst schuldig, das Wissen um das Geschehene von Generation zu Generation weiterzugeben und uns entschieden gegen die Bedrohungen durch Hass und Antisemitismus zu wenden.“ Mit Blick auf das Erstarken des Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft hinein sagt die Kanzlerin: „Das dürfen wir nicht ignorieren. Das muss entschiedenen Widerspruch finden, in Wort und in Tat.“ Die Israelitische Kultusgemeinde stehe, so die Kanzlerin, für Weltoffenheit und ein gutes Zusammenleben im Freistaat Bayern und im ganzen Land, die Ohel Jakob Synagoge habe sich in den letzten Jahren zu einem Ort des Dialogs und der Begegnung entwickelt: „Ich sehe dieses großartige Engagement als ein Zeichen des Vertrauens in unser Land wie die Ohel-Jakob-Medaille, die Sie mir verliehen haben.“

Horst Seehofer, Ministerpräsident des Freistaates Bayern, sagte: „Der 10. Jahrestag der Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob ist ein großartiges Jubiläum für unser Land. Mit der Synagoge und dem jüdischen Gemeindezentrum blüht jüdisches Leben wieder im Herzen unserer Stadt. Unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sind unverzichtbarer Teil unseres Landes. Für dieses Glück unserer Gegenwart bin ich zutiefst dankbar. Es ist für uns zugleich Auftrag und Verpflichtung. Hass und Gewalt haben in unserem Land nichts zu suchen – Antisemitismus und Rechtsradikalismus haben hier keinen Millimeter Platz! Die Bundeskanzlerin steht entschlossen und unbeirrbar an der Seite der jüdischen Gemeinschaft in unserem Land. Ich gratuliere ihr zur Ohel-Jakob-Medaille in Gold. Möge jüdisches Leben in Bayern auch in Zukunft blühen und gedeihen.“

Oberbürgermeister Dieter Reiter erinnerte an die Gräuel der Nationalsozialisten und betonte: „Mit dem neuen Jüdischen Zentrum auf dem Jakobsplatz und vor allem auch der neuen Hauptsynagoge Ohel Jakob ist nach alledem also erneut die Hoffnung gewachsen, dass wir nun endlich zu jener Zusammengehörigkeit finden, die die Menschlichkeit schlechthin gebietet. Und die wir nie wieder aus den Händen geben dürfen. Aus diesem tief empfundenen Gefühl heraus war und ist uns die am 9. November 2006 feierlich eingeweihte neue Münchner Hauptsynagoge auch so sehr viel mehr als ein aus der historischen Verantwortung erwachsenes Bedürfnis.“ Er beklagte: „Antisemitismus ist in Deutschland kein Randgruppenphänomen und nicht auf Neonazi-Kreise beschränkt.“ Aber die überwältigende Mehrheit der Münchnerinnen und Münchner zeige hier seit langem Haltung und klare Kante. „Wir werden es nie wieder zulassen, dass sich die Brandstifter mit ihrem Hass durchsetzen. Auch daran soll uns die Synagoge Ohel Jakob erinnern.“ 

Altoberbürgermeister Christian Ude schloss des Festakt mit einem umfassenden Dank „für dieses Jüdische Zentrum, das einem brachliegenden Platz der Innenstadt endlich Gestalt und vor allem Sinn gegeben hat, das ihn belebt, bekannt, beliebt und bedeutsam gemacht hat und dem interessierten Teil der Welt ein neues, menschliches, tolerantes, durch Selbstkritik und Verantwortungsgefühl gekennzeichnetes  München-Bild vermitteln konnte.“ Ude wünschte der Gemeinde „die Kraft und die Ausdauer, in den kommenden Jahrzehnten so zu bleiben wie im ersten nach der Eröffnung: zuversichtlich trotz aller hoffentlich überwundenen Erfahrungen, einig trotz aller Diskussionsfreude, von ansteckender Lebensfreude wie bei Chanukka und Bürgerfesten bewiesen und stolz darauf, ein integraler, unverzichtbarer Bestandteil dieser Stadt zu sein. In ihrem Herzen.“

Die Eröffnung der neuen Münchner Hauptsynagoge vor 10 Jahren hatte enorme symbolische Kraft. Mit dem Bau der Synagoge und dem Umzug der Kultusgemeinde an den St.-Jakobs-Platz besiegelte die jüdische Gemeinschaft ihr Selbstverständnis als fester Bestandteil der Münchner Stadtgesellschaft und das endgültige Ende des Charakters als „Liquidationsgemeinde“, als die sie 1945 wiedergegründet worden war.

Die Eröffnung des neuen Jüdischen Zentrums in München war eine Initialzündung weit über Bayern hinaus. In der ganzen Bundesrepublik entstanden in den folgenden Jahren jüdische Gemeindezentren und Synagogen als bauliche Symbole eines vitalen Judentums in der Bundesrepublik.